Wenn Größenwahn shoppen geht…

Seit Monaten wird von Seiten der Stadt und dem örtlichen SPD-Verein den Initiatoren und Unterstützern des Bürgerbegehrens gegen das so genannte Eckpunktepapier vorgeworfen, sie wollten die Stadtkasse plündern. Wer tatsächlich das Geld der Stadt ohne Sinn und Verstand verschleudert, wird hier deutlich.

Von Thorsten Riesner

„Olivenbaum im Kreisel
Verkehrsinsel auf italienisch
Kelsterbach. Der Olivenbaum auf der neuen Verkehrsinsel in der Waldstraße kommt direkt aus Florenz und ist weit über 100 Jahre alt. Das teilt die Stadtverwaltung mit.

Der Kreisel, der erst kürzlich fertig gestellt wurde, sollte nach dem Geschmack von Bürgermeister Manfred Ockel (SPD) mediterran bepflanzt werden. Umgeben ist die Olive von Buchskugeln und italienischem Lavendel.

Der Baum überstehe einen europäischen Winter und halte Temperaturen bis minus 20 Grad aus, teilt die Stadt mit, denn auch in der Toskana falle Schnee. Die Außeninseln werden demnächst mit Buchs und Lavendel bepflanzt. mre“

So stand es am 21.10.08 in der Frankfurter Rundschau. In der Pressemitteilung der Stadt Kelsterbach vom 15.07.08 bezüglich des Kreisels in der Waldstraße wurde von einer „mediterranen Insel“ geschrieben und der damalige Erste Stadtrat Ockel mit den Worten „damit dieses Entree einen mediterranen Charakter bekommt“ zitiert. Damals war noch an die Pflanzung von Zypressenbäumen (Mehrzahl) statt des Olivenbaumes gedacht.

pict0225Sehr „mediterran“: Tote Olive vor 50er Jahre Flüchtlingsarchitektur mit regulierungswütigem Schilderwald (Fotos: Andreas Gleim)

Der unvoreingenommene Leser dieser beiden Meldungen wurde mit den vielen Fragen, die sich zwangsläufig nach dem Lesen ergaben, alleine gelassen:  Wie um alles in der Welt kommt man auf die Idee in einem Kreisel in Kelsterbach einen über hundert Jahre Olivenbaum aus Florenz zu pflanzen? Woanders nennt man das eine Schnapsidee. Da im Rhein-Main-Gebiet aber der üppige Verzehr von hochprozentigem Korn eher selten ist, müssten hier andere, eventuell wirkungsvollere Drogen eine Rolle gespielt haben. Warum sollte Kelsterbach plötzlich mediterranes Flair bekommen? Wie soll das erreicht werden? Bleibt es bei dem Kreisel oder sind schon andere Dinge in der Schublade oder besser im Kopf des Verantwortlichen? Das einzige, was in Kelsterbach in Ansätzen mediterran ist, ist das Klima. Wegen dieser Besonderheit gab es im Kelsterbacher Wald auch Pflanzen und Vegetationsformen, die in Deutschland sonst fast nirgends vorkommen, in der Mittelmeerregion aber oft anzutreffen sind. Aber das hat sich zwischenzeitlich auch erledigt.

Glaubt man wirklich, dass ein bepflanzter Verkehrskreisel am Rand eines Gewerbegebietes ein mediterranes Entree ergeben kann?
Wie sollen mehrere Zypressen in einen Kreisel mit 20 m Durchmesser passen? Die Allee von Bolgheri im Hinterkopf kommte man zu dem Ergebnis, dass vermutlich nicht mal ein Baum da reinpasst. Vielleicht hat ein erfahrener Landschaftsgärtner, wie Herr Ockel selbst ein gelernter ist, hier erfolgreich Überzeugungsarbeit geleistet.

Jedem, der schon mal um seine mediterranen Pflanzen im deutschen Winter gezittert hat, war schon damals klar, dass die Behauptung der Olivenbaum würde das schon aushalten, mehr als gewagt war. Zwar gibt es auch in der Toskana mal Tage mit hartem Frost, aber niemals so lange und andauernd wie bei uns. Und wenn es dann dort mal Frost gibt, dann dauert es nicht lange, bis in den Medien von erfrorenen Olivenbäumen zu lesen ist.

Richtig ist sicherlich die Mitteilung der Stadt, dass auch in der Toskana Schnee falle. Bei minus 20 Grad fällt aber auch dort genauso wie bei uns kein Schnee mehr.

Seit einigen Wochen ist nun der Winter in Kelsterbach vorbei und so wie es aussieht, hat den Olivenbaum das gleiche Schicksal ereilt, wie seinen Kollegen im ehemaligen Kelsterbacher Stadtwald.

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Mit braunen Blättern steht er da in der Betonwüste des Gewerbegebietes Kelsterbachs. Er wäre besser in Florenz geblieben, wo er vielleicht noch eine Lebenserwartung von mehreren hundert Jahren hätte. In Erinnerung an 1000-jährige mächtige Olivenbäume in Italien wünscht man dem Entwurzelten die Säge, um dem Missverständnis ein Ende zu machen. Bei seinen Begleitern, den italienischen Lavendelstauden, wird die Säge nicht benötigt. Die müssen einfach nur aus dem Boden gerissen werden. Auch sie haben sich nicht an die Mitteilung der Stadt gehalten und den deutschen Winter nicht überlebt.

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Der Olivenbaum wird zwei- bis dreitausend Euro gekostet haben. Die Lavendelstauden nicht viel weniger, da es sich um eine spezielle Sorte handelte.

Kelsterbacher, seid froh, dass ihr nicht vom Sonnenkönig regiert werdet, der seine privaten Spinnereien umsetzt, sondern nur von Manfred Ockel. Das kommt bisher deutlich billiger.

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Aber aufgepasst, die Summen werden höher. Heute morgen gab’s in der Frankfurter Rundschau was zu lesen: Die Lokalredakteurin kommt wegen der während der Versammlung der Initiatoren des Bürgerbegehrens genannten Zahlen ins Grübeln, ob der geplante Deal im so genannten Eckpunktepapier für Kelsterbach finanziell wirklich so vorteilhaft sei, wie bisher, auch in der FR, immer dargestellt. Da geht es nicht nur um mal eben so im Kreisel versenkte 10.000 Euro.
Und es wurden auch wieder Bäume in einem Gewerbegebiet gepflanzt. Zehn Meter hohe Kiefern wurden aus Norddeutschland besorgt. Kosten 150.000 Euro.

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Auf der anderen Straßenseite wurden Kiefern vor einigen Wochen im 30-Sekundentakt ausgerissen, entastet und zu Meterholz verarbeitet. Bekanntlich wären die umsonst gewesen, da die Bäume im Kelsterbacher Stadtwald nichts Wert waren. Laut Ockels Kumpel Thomas Jühe waren die aber nicht geeignet. Nur die aus der Baumschule in Norddeutschland könnten genommen werden. Man merkt, wie die Redakteurin wieder ins Grübeln kommt, ob denn das alles so stimmt, was ihr da erzählt wird. Dem Artikel ist zu entnehmen, dass wir noch mit einem blauen Auge davon gekommen sind. Ursprünglich sollten mediterrane Pinien gepflanzt werden, weil dem Planer, die Pinienalleen in Südfrankreich so sehr gefallen. Die Kiefern wurden vorgezogen, weil die die Trockenheit so gut vertragen, die sich wegen des Klimawandels einstellen wird. Zum Glück brauchen Pinien so viel Wasser, sonst würde aktuell auf dem Caltexgelände vermutlich eine aus der Gegend von Marseille eingeflogene Allee verpflanzt.

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„Mit den Großen pinkeln wollen, aber das Bein nicht heben können“, das falle ihr ein, wenn sie das so genannte Eckpunktepapier lese, sagte eine der Mitarbeit bei den einschlägigen Organisationen unverdächtige Bürgerin von Kelsterbach. Die Aussage gibt wieder, welcher rote Faden sich derzeit durch das Handeln der Verwaltungsspitze zieht. Es kann einem Angst und Bange werden.

Der heutige Artikel der FR:  kiefer

6 Responses to “Wenn Größenwahn shoppen geht…”

  1. mittlerweile ist es wohl angebracht, nicht nur an den lauteren absichten des herrn bürgermeister zu zweifeln, sondern auch an seinem verstand.

    der mann ist so offen für alles, dass er nicht mehr ganz dicht sein kann.

  2. Den Bürgern einen vom wertlosen Holz 100.00er Bäume erzählen und Bäume für tausende von Euro PRO STÜCK auf Stadtkosten kaufen.

    Schön wenn eine Stadt Einwohner hat, die sich das gefallen lassen. Aber die sind’s ja eh seit Jahrzehnten gewohnt, nicht gefragt zu werden uhnd das Maul zu halten

    Wahrlich Schilda läßt grüßen . . .Kelsterbach erwache

  3. Aber Leute,so hat er sich doch ausgedrückt. DAS BESTE (Geld) AUS KELSTERBACH RAUSHOLEN…..(ups, freudscher Versprecher ) für natürlich.

  4. Was draus geworden ist? Ungefähr drei grüne Ästchen. Immerhin. Ansonsten, Dein Beitrag mit der Pflanzung von Säulenzypressen ist sehr interessant. Das würde Jeden, der schonmal die Rhone entlang ans Mittelmeer gefahren ist, wesentlich mehr ans Mittelmeer erinnern als so ein armer Olivenbaum, der jedes Jahr vom Kältetod bedroht ist.

  5. Hallo, also da wären Säulenzypressen angebrachter gewesen. Diese halten die Winter in vielen Gegenden Deutschlands aus (z.B. Rhein-Main-Gebiet), sind billiger und passen locker in den Kreisel (da muss ich dem Autor aus Erfahrung widersprechen). Eine Dreiergruppe schlanker Zypressen wäre mehr mediterranes Flair gewesen als ein empfindlicher Olivenbaum. Oder eben ein Seidenbaum, auch im RMG eher winterhart als eine Olive.
    Auch normaler Lavendel Angustifolia ist normalerweise hier winterhart, aberw enn man eextra eine empfindliche Sorte nehmen muss?

    Also mit etwas mehr Expertenkenntnis wäre dieser Kreisel auch heute noch eine mediterrane Oase.

    Was ist eigentlich daraus geworden?

    Grüße

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